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Jasmin Pfurtscheller

Das Kaugummi - Automaten - Prinzip


Manchmal habe ich das Gefühl wir leben in einer Welt in der die therapeutische Begleitung von Kindern am besten nach dem Kaugummi-Automaten-Prinzip von statten gehen sollte. Oben werfen wir eine Münze rein, dann drehen wir in der Begleitung zwei, drei Mal und unten kommt ein in Glanzfolie gepacktes neues Kind wieder raus...Wenn der ganze Vorgang dann noch effizient und schnell abläuft scheint alles perfekt. Ich übertreibe jetzt einfach mal ein bisschen um spürbar zu machen worum es mir geht.

Bei diesem Mechanismus geht für mich der Mensch als ein gesamtes Wesen flöten...Ich bekomme teilweise Anfragen, wie - "mein Kind ist ständig unruhig was kann ich tun", Menschen denen ich zuvor noch nie begegnet bin, Menschen die ich nicht kenne, mit denen ich noch nie zuvor gesprochen habe, schreiben mir diese Worte per Mail...In einem Satz alles erklärt und am besten Minuten später die Antwort im Postfach...Ich will dafür niemanden verurteilen, ich weiß das Eltern ganz oft aus einer unfassbaren Not, aus Leid, Schmerz und aus Ängsten heraus handeln....Ich möchte aber Bewusstsein dafür schaffen, was solche reduzierte Aussagen machen...Nämlich ein ganzheitliches Wesen das in einem Körper auf der Erde lebt wird mit einem Satz reduziert auf einen winzigen Bruchteil was gerade im Alltag sich zeigt...Da wird wie mit einer 200fachen Vergrößerung näher gezoomt und das herausgesucht was eben nicht passt, komplett aus dem Kontext und Alltag gerissen und per Mail zugesendet...Da wünschen wir uns für ein hochkomplexes menschliches Wesen, dass in unterschiedlichste Welten eingebettet ist, eine einfache simple Antwort ..

Um bei diesem Beispiel zu bleiben, diese Unruhe kann 1000 mögliche Gründe haben, Ursachen die auf den ersten Augenblick gar nicht sinnvoll erscheinen und nur als solche entdeckt werden können wenn wir wirklich das große Ganze sehen...Wenn wir uns mitnehmen lassen und eintauchen in die Lebenswelt des Kindes, und wahrnehmen und wertungsfrei beobachten um herauszufinden, was den das Kind eigentlich wirklich braucht… In der ganzen Hektomatik Welt geht dieses simple und doch anspruchsvolle, wertungsfreie beobachten häufig völlig verloren, denn da passiert ja scheinbar nichts...Dabei sind das häufig Momente in denen ganz viel passiert, nur eben ohne lautes Krabums und Halli Galli… Es sind die Momente in denen Beziehung stattfindet, es sind die Momente, wo Kinder einem plötzlich Türen und Tore öffnen und zu erzählen beginnen...Wo man in eine Tiefe gelangt die über eine simple Rückmeldung über Mail gar nicht möglich ist...Dieses scheinbare „nichts“ ist wirklich gelebte Beziehung – sozusagen das Fundament eines jeden Haues, das auch Stürmen und Herausforderungen stand hält…

Und klar kann ich diese Mails beantworten - um nochmals darauf zurückzukommen - und Möglichkeiten aufzählen, und Pauschal verallgemeinern was man tun könnte bei unruhigen Kindern und gleichzeitig hab ich mit dieser Vorgehensweise die Individualität ignoriert. Das Individuum, das Kind nicht in seiner Einzigartigkeit gesehen und wahrgenommen, sondern einfach mal ganz schnell irgendwelche Tipps verteilt und Vorlage F drübergelegt.

Und versteh mich nicht falsch, es ist wundervoll wenn du Ideen und Inputs bekommst, es geht mir nicht darum das schlecht zu reden. Daran ist nichts falsch, Menschen haben Gründe warum sie das tun, leben andere Werte, haben unterschiedlichste Vorlieben in der Art und Weise wie sie möchten, dass mit ihnen in Begegnung gegangen wird.

Ich möchte nur ganz klar sagen, dass ich mich in meiner ergotherapeutischen Arbeit davon distanzieren und das es nicht meiner Vision und Philosophie entspricht, wie ich Menschen, in diesem Fall Kinder, begleite und in Beziehung trete.

Das heißt nicht, dass es in meinen Begleitungen keinen Platz für Schwierigkeiten und Herausforderungen gibt – das ich dein Anliegen, in diesem Fall die Unruhe deines Kindes nicht ernst und wichtig genug nehmen. Ich wähle dafür nur einen anderen Rahmen, eine andere Herangehensweise. Mir ist es wichtig das Kind im Kontext, im Alltag zu sehen und nicht aufgrund von einigen wenigen Zeilen zu urteilen und Tipps zu verteilen. Wir sind es in unserer schnelllebigen Gesellschaft sehr gewohnt immer und sofort auf alles zu reagieren, eine Antwort parat zu haben und zu reparieren, aber so läuft die Arbeit mit Menschen für mich nicht...Manchmal verändert sich in kurzer Zeit ganz vieles und manches ist ein Prozess , ein Weg, wo das Ziel vielleicht gar nicht von vornherein klar zu sehen ist, wo sich vieles erst durch das Gehen des Weges zeigt…

Mir ist es ein Anliegen dieses reduzierte Maschinendenken abzulegen und anzuerkennen das die Begleitung von Kindern, aber auch Allgemein die Begleitung von Menschen, ein in Kontakt treten, ein sich näher einlassen, ein Prozess des sich in der tiefe Begegnens ist. Das hier Platz und Raum für all deine Anteile, Erfahrungen, deine Farbpalette an Emotionen und Handlungsweisen ist...Für mich ist es essentiell, wahrzunehmen und zu verstehen, dass wir dadurch unserem Gegenüber eine wirklich in der Tiefe heilsame Erfahrung des wirklichen gesehen werdens schenken können...

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